Überwachungskameras ohne Cloud: Keine monatlichen Kosten & mehr Datenschutz  | TechStage

2023-03-23 14:18:09 By : Ms. Lucky Lee

Wer eine Überwachungskamera lokal und ohne Cloud sowie Hersteller-App nutzen möchte, muss bereits bei der Anschaffung auf bestimmte Leistungsmerkmale achten. Welche das sind, zeigt dieser Ratgeber.

Die schöne, smarte Welt funktioniert ohne Cloud-Anbindung nur noch in Ausnahmefällen. Und das kann unangenehme Folgen nach sich ziehen. In den USA hat etwa Amazon-Tochter und Hersteller von Überwachungskameras (Themenwelt) Ring ohne das Wissen der Anwender Videos an die Polizei weitergegeben. Wie Heise Online berichtet, hat Ring „nach bestem Wissen und Gewissen festgestellt“, dass für eine Person eine unmittelbare Lebensgefahr bestanden hat oder zumindest schwere Verletzungen drohten. Es ist sicher nachvollziehbar, wenn Ring Videos an Strafverfolgungsbehörden weitergibt, um damit das Leben von Beteiligten zu schützen. Doch was ist mit all den Videos von friedlichen Nutzern. Schaut sich die Ring auch an?

Nun gibt es aber zahlreiche Hersteller von Überwachungskameras, deren Produkte auch ohne verpflichtendes Cloud-Abo wie bei Ring funktionieren. Problem gelöst, könnte man meinen. Doch die Sache ist komplexer. Auch wenn ein Cloud-Abo bei vielen Herstellern wie Annke (Themenwelt), Eufy (Themenwelt), Ezviz (Themenwelt) oder Reolink (Themenwelt) nicht verpflichtend ist, nutzen fast alle die Cloud, damit Anwender per App aus der Ferne auf ihre installierten auf Überwachungskameras zugreifen zu können. Dabei kommt es immer wieder zu Datenschutzverletzungen. Bei Eufy konnten beispielsweise viele Anwender auf Überwachungskameras anderer Nutzer zugreifen. Und dann gibt es auch noch Sicherheitslücken und Daten landen plötzlich doch in der Cloud, obwohl man der Cloud-Nutzung nicht zugestimmt hat.

Für Anwender mit hohen Anforderungen an den Datenschutz gibt es aber Lösungen, die verhindern, dass Überwachungskameras ungefragt Daten in der Hersteller-Cloud abspeichern und damit zu einem potenziellen Sicherheitsrisiko führen. Und hier kommt der Standard Onvif (Themenschwerpunkt) ins Spiel. Onvif steht für Open Network Video Interface Forum. Dabei handelt es sich um eine Industrievereinigung, die von den Unternehmen Axis, Bosch und Sony 2008 gegründet wurde.

Ziel der Non-Profit-Organisation ist die Standardisierung von Schnittstellen für eine effektive Interoperabilität von IP-Kameras. Ungefähr 500 Unternehmen sind inzwischen Mitglieder bei Onvif und die Datenbank listet aktuell knapp 23.000 Produkte, die den Standard unterstützen. Wobei es „den“ Onvif-Standard gar nicht gibt, sondern zahlreiche Profile, die bestimmte Funktionen wie Einstellungen, PTZ-Steuerung und Streaming definieren.

Der Vorteil von Onvif-kompatiblen Überwachungskameras liegt in der Nutzung einer einheitlichen Software, mit der man Überwachungskameras unterschiedlicher Hersteller ansteuern kann. Somit ist man nicht länger an Anwendungen eines bestimmten Herstellers gebunden, was die Nutzung einer Onvif-Überwachungskamera zukunftssicher macht. Doch gibt es wie immer bei Standards auch Nachteile. Denn nicht alle Funktionen einer Überwachungskamera werden durch den Onvif-Standard unterstützt. Zudem gibt es bei Modellen mit Akkus Probleme mit zu hohem Energieverbrauch. Hersteller Reolink verzichtet beispielsweise bei seinen batteriebetriebenen Modellen auf Unterstützung des Standards, weil Dritthersteller-Software entsprechende Energiesparfunktionen fehlen.

In der Praxis verfügen daher die meisten Onvif-kompatiblen Überwachungskameras über eine eigene Stromversorgung. Und diesbezüglich ist ein weiterer Standard von Bedeutung: Auf Power over Ethernet, kurz PoE (Ratgeber) setzen die meisten Installationen von Überwachungskameras im professionellen Umfeld. Statt also jede Überwachungskamera mit eigenem Netzteil an einer Steckdose mit Strom zu versorgen, transportiert das Netzwerkkabel über PoE-Switches Daten und Energie. Der kabelgebundene Betrieb von Überwachungskameras hat sich im professionellen Umfeld auch wegen seiner Stabilität durchgesetzt, die anders als bei Funkverbindungen eine gleichmäßig hohe Qualität der Videoaufnahmen und eine zügige Darstellung der Livestreams garantiert.

Zu den populärsten und leistungsfähigsten Anwendungen zur Steuerung von Onvif-Überwachungskameras zählen iSpy respektive Agent DVR (Windows, macOS, Linux), Blue Iris (Windows) und Zoneminder (Linux). Das für die private Nutzung kostenlose iSpy bietet auch eine deutsche Benutzeroberfläche und ist relativ leicht per Browser zu bedienen. Blue Iris und Zoneminder sind hingegen etwas komplexer und richten sich in erster Linie an erfahrene Benutzer. Während Zoneminder kostenlos zur Verfügung steht, muss man für Blue Iris für die LE-Version, mit der man eine Kamera ansteuern kann, knapp 42 Euro bezahlen. Mit der doppelt so teuren Vollversion lassen sich bis zu 64 Kameras verwalten. Eine Demo-Version der nur in Englisch vorliegenden Software können Anwender 15 Tage kostenlos testen.

Ferner gibt es noch weitere Möglichkeiten, Überwachungskamera zu verwalten. Viele Hersteller von Überwachungskameras bieten sogenannten Netzwerkvideorekorder (NVR), mit denen Nutzer daran angeschlossene Geräte lokal betreiben und Videos zentral speichern können. Um ganz sicherzugehen, kann man diesen Geräten im Router den Internetzugang sogar sperren. Allerdings sind Netzwerkvideorekorder eines Herstellers meist nur für die eigenen Überwachungskameras optimiert. Zwar kann man in der Praxis fremde Geräte darin einbinden, doch werden viele Funktionen oft nicht unterstützt.

Je komplexer eine Überwachungskamera, etwa Modelle mit zwei Objektiven wie die Reolink Trackmix PoE (Testbericht) oder PTZ-Varianten (Bestenliste) mit schwenk- und neigbaren Objektiven, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass NVRs eines Fremdherstellers nicht alle Funktionen einer Überwachungskamera bieten. Und selbst bei eigenen Überwachungskameras kann es zu Problemen kommen. So stellt etwa der Annke-Netzwerkvideorekorder N48PAW den Livestream der eigenen Überwachungskamera NCD800 nicht dar (siehe auch Bildergalerie), weil deren Fähigkeiten dafür nicht ausreichen. Erst das leistungsstärkere Modell ANP800 (N88PCH) soll dafür ausreichend sein.

Am besten hat uns im Test die Lösung bestehend aus einem NAS von Synology und der Surveillance Station gefallen. Letzteres ist ein Softwarepaket, das auf jeder Synology-NAS über den integrierten Paketmanager installiert werden kann und bereits Lizenzen zur Ansteuerung von zwei Überwachungskameras enthält. Vier zusätzliche Lizenzen sind ab 174 Euro und acht ab 308 Euro erhältlich.

Mit der intuitiv bedienbaren Surveillance Station sollten die meisten Anwender auf Anhieb klarkommen, auch wenn sie bislang mit NAS-Geräten noch nichts am Hut hatten. Ein Installationsassistent führt dabei durch das Setup. Lediglich bei der Erkennung der Kamera muss man mit deren IP-Adresse nachhelfen, die leicht über die Software des Herstellers oder per IP-Scanner zu finden ist.

Die Surveillance Station unterstützt dabei die meisten Funktionen der von uns ausprobierten Kameras inklusive PTZ-Steuerung und Zoom. Auch unterstützt sie die Ausgabe von HEVC-Videos alias H.265. Allerdings muss man hierfür die Advanced Media Extension herunterladen. Und mit der mobilen Synology-Anwendung DS Cam, die für iOS und Android vorliegt, hat man auch vom Mobilgerät die Kameras im Blick. Zudem besteht die Möglichkeit, die Synology-Lösung komplett ohne Cloud-Zugang lokal zu betreiben.

Wie bereits erwähnt, wächst die Unterstützung des Onvif-Standards seitens der Hersteller, sodass man in der Datenbank der Industrievereinigung knapp 23.000 Produkte findet, die den Standard unterstützen. In der Praxis dürften es sogar weit mehr sein, da neuere Modelle, wie die von uns getesteten Kameramodelle von Reolink und Annke noch gar nicht aufgeführt sind.

Wer auf der Suche nach Onvif-Kameras ist, findet auch in Preisvergleichsportalen entsprechende Informationen. Bei unserem Partner Geizhals.de kann man sich über die Filterfunktion Onvif-kompatible Modelle auflisten lassen. Zusätzliche Informationen zum Thema bieten auch unsere Testberichte entsprechende Informationen.

Onvif-kompatible Überwachungskameras können Anwender auch dann noch weiterverwenden, wenn der Hersteller längst nicht mehr existiert und keinen Support für seine Kameras mehr bietet. Hierfür stehen zahlreiche Software-Programme zur Verfügung, die eine lokale Ansteuerung ohne Cloud ermöglichen. Damit erreichen Anwender ein Datenschutzniveau, das mit Hersteller-Software meist nicht möglich ist. iSpy respektive Agent DVR, wie die Lösung nun heißt, ist für den privaten Gebrauch sogar kostenlos.

Am meisten überzeugt hat uns im Test die Kombination aus einem Synology-NAS in Verbindung mit der Software Surveillance Station, die über den Paketmanager des NAS einfach zu installieren ist. Sie bietet nicht nur eine einfache Bedienung, sondern auch eine hohe Kompatibilität. Selbst die Annke NCD800 mit Dual-Objektiv und sehr hoher Auflösung hat damit einwandfrei funktioniert.

Mehr Informationen zum Thema finden TechStage-Leser im Themenschwerpunkt Überwachungskameras. Nützliche Informationen zur Auswahl einer Überwachungskamera bietet der Beitrag WLAN, Cloud, Solar: Überwachungskameras für innen & außen ab 30 Euro. Darin erläutern wir die wichtigsten Kaufkriterien und präsentieren die besten Überwachungskameras der verschiedenen Kategorien mit Preisen zwischen 30 und 500 Euro.

Und wer an Überwachungskameras mit 4K-Auflösung interessiert ist, findet in unserer Bestenliste die besten fünf Modelle aus unseren Tests. Anwender, die stattdessen eine große Fläche wie eine Hofeinfahrt beleuchten und gleichzeitig überwachen möchten, werden in unserer Bestenliste Top 5 – Hoflicht mit Überwachungskamera: Die besten Floodlight Cams fündig. Weitere interessante Überwachungskameras zeigen wir außerdem in unserer Bestenliste Top 5: Die besten autarken Überwachungskameras mit WLAN, LTE, Akku & Solar.

Bislang von TechStage getestete Onvif-Überwachungskameras:

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